Wir Stadtmenschen sind weitestgehend von der Lebensmittelproduktion entfremdet. Wir müssen, wenn wir auch in Zukunft noch gesund und einigermaßen weltgerecht und ökologisch verträglich essen wollen, uns unseren Lebensmitteln wieder annähern. Wie ginge das leichter als sprichwörtlich über den eignen Tellerrand in unsere unmittelbare „Essens“-Umgebung zu schauen.
Wir handeln mit Essen – und wenn wir etwas leckerer, bewusster, gemütlicher und mehr gemeinsam essen würden- würde unser Essen nicht soviel CO2, wie der gesamte Straßenverkehr produzieren, Millionen von Menschen in Armut stürzen und Lebensräume von anderen vernichten.
Die urban Landwirtschaft bringt die Lebensmittelproduktion in die Stadt zurück. Urbane Landwirtschaft ist ein Gegenentwurf zur globalen Lebensmittelproduktion und befriedigt das wachsende Bedürfnis von Städtern nach umweltverträglichen und sozial gerecht produzierten Nahrungsmitteln.
Neben der urbanen Landwirtschaft will ich selbst erforschen, was alles in der Berlin zu ernten ist. Es gibt viel mehr nutzbare hochwertige Lebensmittel in der Stadt als uns bewusst ist. Ich erprobe alte und neue Erntekonzepte und die Alltagstauglichkeit für Städter sich damit zu ernähren.
Frühjahr 2011 Brennesseln
Erstaunlich vielfältiges Stadtfrühjahrsgemüse, reich an Mineralstoffen, Magnesium, Kalzium, Vitamin A, C und Eisen.Ernteort: PlänterwaldErntemenge: 1 volle TüteArbeitsaufwand: Pflückzeit ca. 30 min, Brennesselsuppe (ca. 30 min), Spinat (ca. 30 min), Brennesselpesto (ca. 40 min), Brennesseltee (5 min)
Brennesselsuppe und Spinat ist lecker, aber ich kann sie nicht so oft essen. Brennesselpesto (2 Varianten mit Pinienkernen und Sonnenblumenkernen) ist dagegen eine wahre Entdeckung.Offenbar verhindert die Brennesel die Vermehrung von Bakterien, weshalb früher Butter, Fisch und Fleisch in Brennesselblätter gewickelt wurden. Das will ich mal ausprobieren.
Bärlauch hätte jetzt massenhaft im Plänterwald geerntet werden können. Da ich ihn nicht mag habe ich ihn für Liebhaber stehen lassen.
Ernteort: Hirtenwiese in Müggelheim und Brache am Humboldthafen in Berlin Mitte
Erntemenge: 2 volle Tüten
Arbeitsaufwand: Pfückzeit ca. 30-45 min (ohne Fahrzeit); Einweichzeit 2 Tage; Sirupkochen 1/2 Tag
Ertrag: 80 l Holunderblütensirup ergibt ca. 400 l Saft je (40 l Sirup verschenkt an die Vorratskammer , die von 18-21.August 2011 beim Überlebenskunstfestival daraus Saft und Cocktails für Ihre Gäste machten)
Kosten: 35 €
Ca. 50 Dolden für Holunderblütentee getrocknet. Mit ca. 70 C Wasser abgebrüht, dient er zur Vorbeugung grippaler Infekte und hilft bei ausgebrochenen Erkältungsbeschwerden insbesondere bei Husten und Halsweh.
Kosten: Nix
Ernteort: Schwerbeladene Pflaumenbäume Wisbyer Straße.
Erntemenge: ca. 60 kg
Arbeitsaufwand: Pfückzeit ca. 4-5 Std. (ohne Fahrzeit)
Ertrag: etliche Pflaumenkuchen, 20 Gläser Pflaumenmus, Pflaumenkompott,15 Gläser eingemachte Pflaumen,Rumtopf, Rest noch verschenkt
Erteort: Nähe Tempodrom
Arbeitsaufwand: Pflückzeit ca. 4 Std
Erntemenge: ca. 100 kg (Apfeljahresverbrauch eines Erwachsenen liegt bei ca. 30 kg, würde für 3 -4 köpfige Familie für 1 Jahr
reichen)
Kosten: 2 BVG Tickets á 2,30 €
Leider sind die Apfel aber größtenteils Fallobst (obwohl beinah makellos) und kein Lagerapfel. DESHALB gingen die 50 kg Äpfel direkt in die Kinderakademie und werden von 150 Kindern in ca. 14 Tagen aufgegessen. 50 kg werde ich verarbeiten und schauen, wie lange das einen Städter versorgen kann.
Ernten ist so kinderleicht- trotzdem werden tausende von Obstbäumen nicht abgeerntet. Dafür jährlich über 5 Millionen Tonnen Obst nach Deutschland importiert.
Der Birnbaum stand ausnahmsweise nicht in der Stadt sondern in der Uckermark. Unsere Nachbarn dort ernten ihn nicht und die fruchtbeladenen Äste brechen schon. Das kann ich nicht mitansehen und nehme sie mit in die Stadt.
Erntemenge: ca. 100 kg harte, herrlich süße Birnen
Arbeitsaufwand: Pflückzeit ca. 2 Std
EU-Vermarktungsnorm für Birnen: Mindestgröße beträgt zwischen 45 und 60 mm und zwischen 75 g und 130 g. Die meisten dieser herrlichen Birnen wären durchgefallen und hätten nicht in den Verkauf gehen dürfen.
50 kg gehen an die Kinder Akademie und 150 Kinder werden die nächsten 14 Tage Birnen essen.50 lagere ich ein und verarbeite sie peu a peu.
September 2011 Ebereschenbeeren Die Eberesche, auch Vogelbeere genannt ist ein typischer Stadtbaum und sehr gesund (viel Vitamin C). Ja gesund und nicht giftig! Roh sind die Früchte leicht giftig, gekocht eine wahre Heilbeere. Für Stadt macht satt also ein Muß. Ernteort: Brache hinter der Evangelischen Schule Berlin Zentrum in Berlin Mitte Erntemenge: ca. 4 kg Arbeitsaufwand: Pflückzeit ca. 20 min, Einweichen in Essigwasser (24 Std.); Ebereschen-Birnen-Marmelade (ca. 1,5 Std), Ebereschen-Apfel-Marmelade (ca. 1 Std), Ebereschen-Chutney. Ernteertrag: 10 Gläser Ebereschen-Birnen-Marmelade; 5 GläserEbereschen-Apfel-Marmelade (ca. 1,5 Std), 10 Gläser Ebereschen-Chutney.
September 2011 Apfelbirnensaft
200 kg Äpfel und 50 kg Birnen (ca. 4-5 Std.) werden in einer halben Stunde zu 125 l Saft!
Ernteort: Humboldthafen Berlin Mitte
Erntemenge: ca. 5 kg
Arbeitsaufwand: Pfückzeit ca. 45 min (ohne Fahrzeit); Saft kochen 1,5 Std
Ertrag: ca. 2 l reiner Holundersaft gemischt mit Apfel-Birnensaft ergab 18 l Mischsaft
Dezember 2011 Stadtbienenhonig
Natur findet Stadt – das ist die Vision von der Initiative „Berlin summt“ . Mit der Biene als Botschafterin will die Initiative möglichst viele Berliner für Stadtnatur begeistern. Ich bin begeistert und wir waren gestern im Naturkundemuseum und haben 10 Gläsern Honig der fleißigen Bienen für stadt macht satt gekauft. Ca. 3000 Bienenvölker leben in Berlin und die emsigen „Berlinerinnen“ wohnen u.a. auf dem Planetarium am Insulaner, dem Gutshof Britz, im Jugendimkerstand , auf dem Musikinstrumentenmuseum am Potsdamer Platz, Rathaus Marzahn-Hellersdorf. Der Stadthonig gilt als besonders gut, denn im Gegensatz zu den Monokulturen auf dem Land blüht es in Berlin viel artenreicher.